PADERBORN
Frauke Liebs Mörder noch nicht gefasst
Vor vier Jahren einem Verbrechen zum Opfer gefallen
VON HUBERTUS GÄRTNER

Frauke Liebs wurde nur 21 Jahre alt.


Paderborn. Die Leiterin des Städtischen Gymnasiums in Bad Driburg, Ingrid Liebs (57) kann die allgemeine Begeisterung während der laufenden Fußball-Weltmeisterschaft nicht teilen. "Ich gönne den Menschen die Freude, aber meine Gedanken sind ganz woanders", sagt Liebs. Vor vier Jahren ist ihre Tochter Frauke einem grausamen Verbrechen zum Opfer gefallen. Damals wurde die Fußball-WM in Deutschland ausgetragen.

Am 20. Juni 2006 hatte Frauke Liebs zusammen mit ihrem Mitbewohner und Ex-Freund in einer Paderborner Kneipe zwei Spiele angeschaut. An jenem Tag gewann Deutschland zunächst mit 3:0 gegen Ecuador. Danach trennten sich Schweden und England 2:2. Es war der letzte Abend, an dem die 21 Jahre alte Krankenpflegeschülerin Frauke Liebs lebend gesehen wurde. Weil sie noch etwas länger in der Kneipe bleiben wollte, war ihr Ex-Freund damals nach Hause gegangen.

Um ein Uhr in der Nacht erhielt er von Fraukes Handy noch eine Nachricht, die aus zwei Worten bestand: "Komme später". Danach kamen vom Handy noch weitere fünf SMS-Botschaften aus dem Raum Paderborn und Nieheim (Kreis Höxter). Am 4. Oktober fand ein Jäger dann die verweste Leiche von Frauke Liebs in einem Wald bei Lichtenau (Kreis Paderborn).
Ein Jäger fand die Leiche
Es gibt nur wenige Verbrechen, die die Öffentlichkeit so erschüttert haben, wie dieses. Die Mordkommission setzte alles in Bewegung, um den Täter zu finden. Die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY. . . ungelöst" berichtete über den Fall, es wurden 7.500 Euro Belohnung ausgesetzt. Man habe 700 Spuren verfolgt und 1.000 Personen befragt, sagt Kriminalhauptkommissar Ralf Östermann, Leiter der Mordkommission.

Auf unserem Foto, das vor zwei Jahren aufgenommen wurde, erinnern rote Rosen an das Opfer.


Doch ein Tatverdächtiger wurde nicht gefunden.
Mord verjährt nie. "Dieser Fall bleibt immer in unserem Gedächtnis", sagt Östermann. Obwohl das Verbrechen bereits vier Jahre zurückliegt, gehen auch heute bei der Kriminalpolizei immer noch Hinweise ein, wie Östermann bestätigt. Spektakuläre neue Fahndungsansätze hätten sich daraus aber nicht ergeben. Vielleicht führt eines Tages irgendein Zufall auf die Spur des Mörders. Oder dieser wird mit seinem Gewissen nicht mehr fertig und stellt sich selbst.


Auch die Hinterbliebenen hegen den Wunsch, dass das schreckliche Verbrechen doch noch aufgeklärt wird. Die Mutter Ingrid Liebs steht in Kontakt mit der Kriminalhauptkommissarin Anne Henze und mit Ralf Östermann. "Sie bleiben meine Ansprechpartner", sagt Ingrid Liebs. Sie arbeitet in Bad Driburg, hat ihren ersten Wohnsitz aber in Lübbecke, wo ihre Tochter Frauke beerdigt ist.
Kinder und Kollegen als wichtige Stützen
"Man versucht, den Alltag zu leben und manchmal auch wieder zu lachen", sagt Ingrid Liebs. Ihr Sohn (36) und eine weitere Tochter (22), die Zahnmedizin studiert, seien ihr eine große Stütze. Auch die Kolleginnen und Kollegen hätten ihr sehr zur Seite gestanden. "In unserem Kollegium herrscht ein gutes Klima, das hat eine Menge geholfen", sagt Ingrid Liebs.

Ihre ermordete Tochter ist nicht vergessen. "Ich weiß, dass sich hier in diesem Forum viele intelligente und scharfsinnige Teilnehmer befinden. Lasst und versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen". So lautet ein Aufruf im Internet.

Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.

 


 

Paderborn. Ein erstes Ergebnis der operativen Fallanalyse (profiling) des LKA hat der Mordkommission unter der Leitung von Kriminalhauptkommissar Ralf Östermann einen konkreten Fahndungsaspekt gebracht.

Demnach wurde Frauke Liebs nach ihrem Verschwinden im Juni 2006 für etwa eine Woche im Großraum Nieheim (Kreis Höxter) gegen ihren Willen festgehalten.

Ralf Östermann: „Die Profiler haben Fakten erarbeitet, die den Festhalteort weiter eingrenzen, sodass wir jetzt noch intensiver in diesem Bereich nach dem Täter und seiner Unterkunft zur Tatzeit suchen müssen. “ Östermann weiter: „Dabei setzen wir auch auf die Mithilfe der Bewohner des Fahndungsraums.“

Am 20. Juni 2006 verschwand die 21-jährige Frauke Liebs aus Paderborn. Aufgrund der Vermisstenanzeige ihrer Eltern startete die Polizei eine groß angelegte Öffentlichkeitsfahndung. Die Vermisste meldete sich noch eine Woche lang per Handy bei einem Bekannten. Ende Juni rissen die Kontakte ab. Anfang Oktober wurde die Leiche der jungen Frau bei Herbram-Wald nahe Lichtenau gefunden. Seit dem ermittelt die Mordkommission: „MK Lichtenau“. Über 300 Spurenakten haben die Ermittler bislang angelegt. Etwa die Hälfte der Spuren sind mittlerweile abgearbeitet. Parallel zu den Ermittlungen untersuchten Experten des Landeskriminalamtes, Gerichtsmediziner und spezielle Laboranten die am Tatort gesicherten Spuren. Ralf Östermann ist sich sicher, den Täter aufgrund dieser Spurenanalyse überführen zu können.

Die Profiler des LKA NRW haben sämtliche Informationen, die ihnen die Mordkommission zur Verfügung gestellt hatte, in die Analyse eingeschlossen. Technische und psychologisch-forensische Begutachtungen, sowie vor Ort im Raum Nieheim geführte Ermittlungen haben das Ergebnis untermauert. Die Auswertungen der Telekommunikationsdaten haben die Ermittlungen bereits kurz nach dem Verschwinden der jungen Frau aus Paderborn in den Raum Nieheim geführt. Beim ersten Handykontakt war das Handy von Frauke Liebs in einem Mobilfunkmasten bei Nieheim-Entrup eingebucht. „Diese Erkenntnis war für die Ermittlungen von Anfang an wichtig“, erklärt Ralf Östermann mit dem Hinweis, dass schon damals auch die Öffentlichkeitsfahndung in den Bereich gelenkt wurde. Da aber die nachfolgenden Handykontakte aus dem Raum Paderborn kamen, konnte der Fahndungsraum bis zum Ergebnis der Fallanalyse nicht weiter eingegrenzt werden.

Jetzt steht nahezu fest, dass Frauke Liebs im Großraum Nieheim gefangen gehalten wurde. Wo, das versucht die Mordkommission jetzt heraus zu finden. Als Versteck könnte eine Wohnung oder ein Haus gedient haben. Ebenso denkbar ist auch ein Ferienhaus, eine Jagdhütte, ein anderes abgelegenes Gebäude oder ein Wohnwagen bzw. Wohnmobil.

Auch ein erstes Täterprofil kann bei der Fahndung helfen. Staatsanwalt Ralf Vetter: „Der Täter hat einen Bezug in den Großraum Nieheim. Es kann sein, dass er dort wohnhaft ist, dort einmal gewohnt oder auf irgendeine andere Art die Möglichkeit hatte, Frauke Liebs in dem Bereich festzuhalten.“

Nach erster Einschätzung der Profiler handelt es sich wahrscheinlich um einen männlichen Einzeltäter. Es können aber auch mehrere Täter oder ein Täterpärchen nicht ausgeschlossen werden.

Vetter: „Der oder die Täter können völlig normal und unauffällig erscheinen.“

Gegenwärtig engen Fallanalytiker und Mordkommission den Festhalteort und den Kreis der potentiellen Verdächtigen weiter ein. Beim Vorliegen von Verdachtsmomenten sind die Wissenschaftler beim Landeskriminalamt in der Lage, durch Auswertung objektiver Spuren einen Beweis zu führen.

Die Haushalte im fahndungsrelevanten Bereich werden in den nächsten Tagen per Postwurfsendung über die aktuelle Öffentlichkeitsfahndung informiert. Weil die fragliche Tatzeit bereits über ein halbes Jahr zurück liegt, erinnert die Polizei in dem Faltblatt an einige Ereignisse, um möglichen Zeugen eine Erinnerung zu erleichtern:
Es war Fußballweltmeisterschaft. Deutschland spielte am Dienstag, 20. Juni, dem Tag des Verschwindens von Frauke Liebs, gegen Ecuador und im Achtelfinale am Samstag, 24. Juni, gegen Schweden. Es war brütend warm. Es waren Schützenfeste in Vörden, Höxter, Brakel, Steinheim und Lüchtringen.

Frauke Liebs war vermutlich die gesamte Zeit ihres Festhaltens zwischen dem 20. Juni und Ende Juni 2006 mit einem roten Kragen-Shirt, sowie einer verwaschenen Blue-Jeans mit Strassapplikationen und weißen Turnschuhen bekleidet.

Die Fragen der Mordkommission:

* Haben Sie Frauke Liebs in Begleitung zwischen dem 20. Juni und Ende Juni 2006 im Großraum Nieheim gesehen?

Täter und Opfer sind fast täglich in den späten Abendstunden in einem Fahrzeug weggefahren und später zurückgekehrt.

* Wo könnte das Opfer festgehalten worden sein?

* Hat ein Nachbar oder Bekannter in der Zeit seine Lebensgewohnheiten, seinen Tagesablauf geändert?

* Haben sich Feriengäste oder andere Reisende verdächtig benommen?
Möglicherweise haben Sie Täter und Opfer als Urlauber eingeschätzt.

MK-Leiter Östermann macht deutlich: „Jedes noch so kleine Detail kann für die Mordkommission den entscheidenden Durchbruch bedeuten.“

Für Hinweise, die zur Aufklärung des Tötungsdeliktes führen, ist eine Belohnung in Höhe von 7500,- Euro ausgesetzt. Die Mordkommission sichert zu, dass Zeugeninformationen auf Wunsch vertraulich behandelt werden.

Sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen. Die in Paderborn eingerichtete Mordkommission ist unter der Rufnummer 05251/3060 erreichbar.

Quelle / Copyright:
Kreis Polizeibehoerde Paderborn

 


 

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